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Posted on 14 août 2006 in Vins suisses

Wallis — Das «nec plus ultra» der Walliser Nektare

Wallis — Das «nec plus ultra» der Walliser Nektare

10 Jahre Charta Grain Noble ConfidenCiel
Das „nec plus ultra“
der Walliser Nektare
Heute werden überall im Wallis grosse Likörweine in limitierten Mengen produziert. Etwa 30 Winzer haben sich 1986 mit der Unterschrift unter die Charta Grain Noble ConfidenCiel zur Spitzenqualität verpflichtet.
Als Folge der weltweit einmaligen Vielfalt (Weisse, Rote, Rosés und Süssweine) hatte nahezu jeder Walliser Produzent einen likörartigen Wein im Programm. „Die Charta kam zum richtigen Zeitpunkt, denn sie bewirkte eine Neuorientierung“, sagt Gilles Besse aus Vétroz. Der Önologe von Jean-René Germanier weiss, wovon er spricht. Vor 1997 wurde seine Amigne Mitis nach dem Kryoextraktions-Verfahren (das Eis wird bei der Konzentration der Moste durch Tiefkühlung herausgezogen) in grossen Mengen produziert. Seit 10 Jahren ist damit Schluss, die Charta lässt nur sechs, am Stock übergereifte Sorten (Amigne, Arvine, Ermitage, Pinot Gris, Sylvaner und Païen) zu.
Gewollte Rarität
Eine natürliche Expansionsbremse ist das auf mindestens 15 Jahre festgesetzte Alter der Reben. Marie-Thérèse Chappaz produziert trotz ihres Erfolgs und der Tatsache, dass sie ihre Grains Nobles vergolden und dreimal verkaufen könnte, nicht mehr als am Anfang (1988). „Man unterzeichnet die Charta nicht aus kommerziellen Gründen, sondern weil man das Besondere sucht“, erklärt die Weinbäuerin aus Fully. Für Thierry Constantin ist es eine Frage der Philosophie und der Freude.
Die Charta hat vieles verändert. Während man früher dem Himmel vertraute, der den Reben die Kraft zu einem Edelsüssen verleihen sollte, setzt man jetzt auf Wissen und Erfahrung. Marie-Thérèse Chappaz: „Heute beherrsche ich das Phänomen der Edelfäule besser. Massgebend ist die Ausgewogenheit verschiedener Faktoren.“
Jedes Jahr ist anders
Für Philippe Darioli bedeutet das Erreichen dieser Harmonie die Quadratur des Kreises. Seine Petite Arvine 2004 besitzt 180° Œchslé, 9 g Säure, 12% Alkohol und 195 g Restzucker. Verschiedene Parameter sind für das Endergebnis bestimmend. Zum Beispiel der Zeitpunkt der Ernte, die zwischen Ende Oktober und Ende Dezember stattfindet. Im atypischen 2003 wurde schon Anfang Oktober gelesen. „Die Besonderheiten des Jahrgangs müssen berücksichtigt und nicht nivelliert werden“, betont Marie-Thérèse Chappaz.
Weine, die das Label ConfidenCiel tragen und somit die jährliche Vorverkostung bestanden haben, sind und bleiben ein Himmelsgeschenk. „Am besten entwickelt sich der Botrytis in einem feuchten Herbst mit Föhn (1996 und 2001)“, erklärt Philippe Darioli, der wie seine Confrères mehrmals erntet und bis viermal die schimmelbefallenen und getrockneten Trau-benbeeren sortiert. „Es gibt nichts Schöneres als den Jahrgangseffekt“, schwärmt Robert Taramarcaz der Domaine des Muses. In seiner Diplomarbeit an der Universität Dijon beschäftigte sich der junge Mann aus Sierre mit den Konzentrationsprozessen von Most. Zwischen dem natürlichen und den „industriellen“ Verfahren liegen Welten. „Selbst wenn wegen des Botrytis die Persönlichkeit der Traube verloren geht, die Komplexität des Weins bleibt erhalten.“
Längerer Eichenfassausbau
Die Charta schreibt vor, dass die Weine erst nach einem mindestens 18-monatigen Aufenthalt im Fass auf den Markt kommen. „Manchmal dauert es auch 24 bis 36 Monate“, sagt Philippe Darioli. „So erhalten die Weine mehr Stabilität, die schöne Farbe von goldschimmerudem Kandiszucker. Da die Weine möglichst wenig filtriert werden, ist das Risiko der Nachgärung reduziert.“
Likörweine sind Lagerweine. Der Millésime 1994 von Marie-Thérèse Chappaz ist noch nicht trinkbereit und wird 20 Jahre und mehr halten. Die Winzerin ist sich bewusst, dass der heutige Konsument leichtere, lebhaftere und süssere Dessertweine bevorzugt. Ihr Grain doux 2005 besteht zu je 40% aus auf Rost getrockneter Petite Arvine und semi getrocknetem Chardonnay sowie 20% Sylvaner. Die Kellerei Varone in Sion, die die Valorine von Stéphane Gay, einem der Initiatoren der Charta, vinifizieren lässt, wird den leichteren Blandice auf den Markt bringen. Als Hommage an Rainer Maria Rilke produziert Robert Taramarcaz einen reinen Riesling als Spätlese.
Die österreichische Verführung
Gerne lobt man die Österreicher, die weniger als 10° Alkohol enthalten, aber sehr süss sind. Philippe Darioli: „Heute ist weniger Alkohol, dafür mehr Säure angesagt. Wenn ich bei meinem bei 200° Œchslé gelesenen Ermitage nur 8° Alkohol will, erhalte ich Sirup. Hoher Alkoholgehalt schliesst Frische nicht aus.“
Wann trinkt man Süssweine? In Restaurants, Spitzenetablissements ausgenommen, werden Likörweine selten serviert. Raphaël Gaudin, früher Sommelier im Pont-de-Brent und heute Weinhändler in Monthey (VS), hat es längst aufgegeben, Likörweine und Speisen zu vermählen. Für ihn sind Spätlesen eigentliche Desserts, für die Italiener sogar „Meditationsweine“. Die kommerziellen Möglichkeiten sind limitiert. „Wir verkaufen die Weine in 50 cl- und 37,5 cl-Formaten“, erklärt Simon Lambiel, Direktor der Domaine du Mont d’Or. Die Hochburg der Edelsüssen, die 1998 ihren 150. Geburtstag feierte und bis vor 20 Jahren einzige Produzentin von Spätlesen war, konnte an der Vinalies 2006 in Paris Medaillen sammeln. Exportförderung? „Mit jährlich 15000 Flaschen produzieren wir zu wenig, um auf Export zu setzen.“
Symbolische Präsenz
Die Marktnischen sind nicht grösser, aber vielfältiger geworden, Liebhaber von Spätlesen sind meistens Weinkenner. Deshalb ist die Charta – gemäss Gilles Besse „eine vielversprechende kollektive Promotion“ auch an ausländischen Weinmessen präsent, so am Süsswein-Salon Vinoble in Jerez de la Frontera, am Salone del gusto in Turin und selbstverständlich an der VINEA in Sierre am 2. und 3. September 2006. Aus Anlass ihres 10. Geburtstags stehen mehrere prestigereiche Degustationen auf dem Programm. Im Weiteren will die Charta ihre Beziehungen zum französischen Botrytis-Weinclub Sapros intensivieren, der, inspiriert von der Walliser Initiative, 2001 gegründet wurde und dem renommierte Produzenten aus dem Sauternes, der Loire und dem Elsass angehören.

Websites
www.grainnoble.ch
www.sapros.org
www.mdvs.ch

Grains Nobles
der Spitzenklasse

Die sicheren Werte
Unter den meistverbreiteten Spätlesen (weniger als je 10000 Liter) sind die Amigne «Mitis» von Jean-René Germanier, Vétroz, die «Grains Nobles» der Brüder Rouvinez, Sierre (beide für ihre Jahrgänge 2002 mit der Vinalies d’Or 2006 Paris ausgezeichnet) und der Johannisberg «Saint-Martin» der Domaine du Mont d’Or, Pont-de-la-Morge, hervorragend. Auf Mont d’Or sind zwei Hektaren Sylvaner für Likörweine bestimmt, mehr als ein Hektar mit Ermitage Merle des Roches, Petite Arvine «Sous l’Escalier», und Malvoisie «Crête ardente» bestockt. Die beiden letzteren des Jahrgangs 2004 wurden mit der Vinalies d’Or Paris 2006 ausgezeichnet. Erwähnenswert auch der «Tourbillon» von Provins-Valais, Ermitage de vieilles vignes, der Hausönologin Madeleine Gay.

Die Raritäten
«Grain Noble» von Marie-Thérèse Chappaz als Petite Arvine – wunderbar frisch – und Ermitage – 2003 bemerkenswert strukturiert. 2001 und 2003 gleichermassen köstlich die Amigne surmaturée von Fabienne Cottagnoud, Cave des Tilleuls, Vétroz.

Die Üppigen
Drei aussergewöhnliche Likörweine der Domaine Cornulus von Stéphane Reynard und Dany Varone, Savièse: Die nur 2000 und 2004 produzierte Essence de Botrytis erinnert mit ihrer extremen Konzentration an einen Tokay. «Clos Corbassières» ist die Assemblage von Arvine (1/3) und Ermitage. Für eine wunderbare Konzentration des «Ermitage Octoglaive» sorgt die «Marsanne vieilles vignes». Intensiv und dicht Ermitage 2001 und 2003 von Denis Mercier, Sierre.

Die Raffinierten
In «Grain de Folie» von Benoît Dorsaz, Fully, entwickelt die Petite Arvine ihre ganze Frucht. Thierry Constantin, Pont-de-la Morge, ist mit der «Larme de décembre» ein grosser Wurf gelungen. Der Ertrag seines Johannisberg (Sylvaner) lag zwischen 0,7 und 1,3 dl pro m2! Philippe Darioli, Riddes, produziert die grossartigen Ermitage, Petite Arvine und die Assemblage «Vent d’Anges» (vor allem Pinot Gris, Petite Arvine und Ermitage), die zusammen mit dem «Octoglaive» von Cornulus und der Petite Arvine von Marie-Thérèse Chappaz für die Mémoire des vins suisses selektioniert wurde.

Die Neuen
Vielversprechend die «Polymnie-Séduction» von Robert Taramarcaz, Sierre, eine Assemblage von Marsanne (60%) und Pinot Gris (40%). Der Jahrgang 2003 wurde am Concours mondial de Bruxelles 2005, der 2002 ein Jahr später ausgezeichnet. Eine Erwähnung erhielt auch «Valorine» (Goldmedaille Bruxelles 2006 für den Jahrgang 2003) von F. Varone, Sion, ein am Stock von Stéphane Gay, Önologe und Initiator der Charte Grain Noble, selektionierter Ermitage, sowie die «Marsanne tardive» 2004 von Maurice Giroud et fils, La Siseranche, Chamoson (Vinalies d’or Paris 2006).

Von Pierre Thomas, in Revue des Relais & Châteaux, Schweiz, August 2006.